Aktuelle Nachrichten vom Lehrstuhl SRU und Prof. Dr. Junkernheinrich

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Standortwettbewerb - Interview mit der Wirtschaftswoche

In einem Interview mit der WIrtschaftswoche erklärt Prof. Dr. Martin Junkernheinrich wieso sich der Standortwettbewerb verschärft und wie sich die Trends in Deutschlands Metropolen verändern.

Das gesamte Interview können Sie hier lesen.
Ausschnitt aus dem Interview mit der Wirtschaftswoche:
 

Wirtschaftswoche: Herr Junkernheinrich, über viele Jahrzehnte gab es in Deutschland einen Sog der Ballungszentren. Wie stabil ist dieser Trend noch angesichts von Wohnungsknappheit, hohen Lebenshaltungskosten und Dauerstau in Deutschlands Metropolen?
Martin Junkernheinrich: Das ist in Abhängigkeit von Alter und finanziellem Spielraum sehr unterschiedlich. Für Normalverdiener ist die Wohnung in den Zentren häufig nicht mehr finanzierbar. Durch Corona ist nun einiges in Bewegung geraten. Das Homeoffice ermöglicht eine zunehmende räumliche Entkopplung von Arbeits- und Wohnort. Insbesondere in der jüngeren und mittleren Generation, zumal wenn Kinder da sind, wächst der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance, da möchte man gern ins Grüne und regelmäßig zu Hause arbeiten.

Welche Städte profitieren davon?
Vor allem kleinere und naturnähere Städte im Umfeld der Ballungszentren, die weit genug weg sind, um negative Ballungseffekte nicht zu spüren – jedoch nah genug sind, um das Freizeit- und Kulturangebot der Metropolen nutzen zu können. Auch dort sind die Preise mittlerweile vielfach sehr hoch. Aber auch außerhalb der Ballungsräume gibt es kleinere Wachstumskerne mit hohem Potenzial und guten Lebensverhältnissen.

Und was ist mit den Unternehmen?
Viele Großstädte schaffen es nicht mehr, ausreichend neue Gewerbeflächen bereitzustellen. Manche können Investoren kurzfristig keine hinreichend großen und verkehrsgünstig gelegenen Flächen anbieten. Es ist zwar zum Teil möglich, alte Flächen zu revitalisieren, aber das dauert oft sehr lange und kostet viel Geld – vor allem wenn Altlasten beseitigt werden müssen. Der Einzugsbereich, in dem expansionswillige Unternehmen nach gut angebundenen und zusammenhängenden Gewerbeflächen suchen, wird daher immer größer – und der Faktor Fläche für die Standortqualität einer Kommune immer wichtiger. Das ist eine große Chance für Kommunen, die wirtschaftlich nicht ganz so gut aufgestellt sind und noch Flächen haben.

Wenn denn Politik, Verwaltung und Bürger mitspielen.
Ja, ein wichtiger Punkt. Die Bürger vor Ort schätzen gerade am Rand der Städte ihre Naherholungsmöglichkeiten und stehen Veränderungen vielfach sehr skeptisch gegenüber. Und in den politischen Entscheidungsgremien sitzen in der Regel nicht die Arbeitslosen, die durch neue Investitionen einen Arbeitsplatz bekommen könnten. Widerstand kann im Übrigen auch von Unternehmen kommen, die bereits vor Ort sind und nicht expandieren wollen. Für die bedeuten zusätzliche Gewerbeflächen, dass neue Wettbewerber herziehen könnten und der Konkurrenzkampf um Fachkräfte noch härter wird. Gleichwohl gilt: Gewerbeflächen sind künftig ein zentraler Faktor für die Fähigkeit einer Stadt, Arbeitsplätze zu schaffen ...

... für die man dann aber erstmal Bewerber finden muss. Welche Rolle spielt der eskalierende Fachkräftemangel für die Standortqualität und den Wettbewerb der Städte?
Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist ein ganz zentraler Standortfaktor und dies wird durch die Babyboomer, die in den nächsten zehn Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, jedes Jahr an Bedeutung gewinnen. Insbesondere in Ostdeutschland wird die Verrentungswelle den Facharbeitermangel noch verstärken. Wer mobile Arbeitskräfte gewinnen will, der braucht eine gute kulturelle, medizinische und schulische Basisversorgung. Sonst fällt er bei jungen Arbeitnehmern und Familien durchs Raster. Die Städte müssen bezahlbaren Wohnraum bieten, und auch das eine oder andere neue Einfamilienhaus. Ganz wichtig ist eine gute Kinderbetreuung und gute Schulen, in denen nicht der Putz von der Decke kommt. Dazu eine Anekdote: Vor einigen Jahren wollte sich in einer nicht ganz so attraktiven Stadt in Nordrhein-Westfalen ein Unternehmen ansiedeln. Doch die Entscheidung zog sich hin, weil die Ehepartner der Führungskräfte nicht dorthin wollten. Weiche Standortfaktoren können somit entscheidend sein.